Cimarron libris

MONREALE

Erzählung - Band 12

Prolog

Zehn Monate später.
Es ist wieder Sommer. Und Harry Versbach mißtraut
und vertraut noch immer dem Leben.
Er sitzt allein in seinem Café.
Und die Welt ist bei ihm zu Gast.
Der Reigen an Ereignissen nimmt seinen Lauf.
Und die alten Geheimnisse der Zeit
lassen ihm keine Ruhe.

 ispiele des Handlungsablaufs

Jemand atmet neben mir verhalten auf. Zwei fremde Hände greifen nach einem Buch und suchen nach einer bestimmten Seite.
Ich drehe mich um und sehe in das Gesicht eines Mannes mit einem gelassenen Blick. Ich habe Angst. Die Augen des Fremden verlieren sich in mir. Vielleicht sehen sie auch durch mich hindurch.
Zu meiner Überraschung lächelt der Mann. Das wirkt beruhigend auf meine Gefühle. Ich kenne diese Art des Lächelns. Ich habe es auf Gemälden gesehen, die weit vor meiner Zeit entstanden sind. Es läßt nichts Gutes ahnen.
Verschwunden bleiben die vertrauten Geräusche aus dem nahen Umfeld: Das Scheppern leerer Teller, das helle Klingen von Weingläsern, das Lachen, Schwätzen, Flüstern, Rufen, Schimpfen der Gäste; das Aufstehen der Menschen von ihren Stühlen, das Verrücken der Tische; Münzen fallen auf den Boden, Kinder schreien, Hunde bellen (was seltener vorkommt), Handys melden sich (immer häufiger).
Der Mann neben mir hat dafür gesorgt, daß ich nur ihn höre und seine Nähe spüre. Wir sehen uns einen Moment schweigend an. Er zeigt auf eine Stelle des aufgeschlagenen Buches. Seine Miene ist ernster geworden.

„Ich glaube, Sie sind ein Nomade der Großstadt...“
„Nein!“ Er begleitet seine verbale Ablehnung mit einem heftigen Kopfschütteln. „Ein Nomade hat ein Ziel: Weidegründe, Wasserstellen für das Vieh. Ich verweigere mich der menschlichen Bestimmung, irgendwo anzukommen. Ich bleibe nirgendwo, und bin fast überall ich selbst und ein Verlorener, der sich sucht, oder nach etwas sucht, manchmal ein Leben lang. Ich will Ihnen ein Geheimnis verraten. Als Miss Beverly und ich auf den Spuren der Zisterzienser waren, kam es wie eine Erleuchtung über mich. Es muß eine Grundspur des Lebens geben, sagte ich mir. Ich sollte danach suchen. Dann hätte ich ein Ziel, wohl wissend, daß es unerreichbar wäre. Und doch würde ich es zu erreichen versuchen. Nichts anderes geschieht mit unserem Leben. Jeder hat seine eigene Grundspur. Es gibt kein erreichbares, wünschenswertes Ziel. Gäbe es dies, hätte ich es längst erreicht.“

„Ich war zufällig Zeuge... des Abschieds von Ihrem Bekannten. Wissen Sie, daß er ein Roma ist?“
„Ja. Ich glaube, man sieht es ihm auch an.“
„Allerdings. – Er mag Sie. Sind Sie mit ihm befreundet?“
„Wir kennen uns seit einiger Zeit, so wie ich Sie kennengelernt habe.“
„Für ihn sind Sie kein Gadsche.“
Ich sehe ihn erstaunt an. „Was ist ein Gadsche?“
„Ein Fremder, einer, der nicht zu ihnen gehört.“
„Sie kennen sich aus?“
„Ich habe eine Zeitlang unter ihnen gelebt.“
Er sieht meine hochgezogenen Augenbrauen. Ich komme ihm zuvor. „Dann sprechen Sie ihre Sprache.“
„Nicht jeden Dialekt; der ist von Region zu Region verschieden. Ein andalusischer Roma wird Mühe haben, einen deutschen Sinti zu verstehen. Aber mit einem französischen wird er sich verständigen können.“

Er hält noch immer das Buch in der Hand und blättert darin. „Im Kreuzgang von Noirlac überrascht die Weite des steinernen Himmels, die Bogenfenster auf den einzeln stehenden Kapitellen sind von atemberaubender Schönheit; sie hören das Schweigen der Mönche, wenn sie still sind. Ein vorzüglicher Ort der Meditation.“
Er sieht mich mit schelmischem Blick an. „Vielleicht sollten auch wir weniger reden; Tod und Leben stehen in der Macht der Zunge, sagte der Heilige Benedikt. – Zu jedem Kreuzgang gehört ein Brunnenhaus. Das schönste steht im Kloster Santes Creus; ein schattiger, fast mystischer Ort; auf jeden Fall lädt er zum Verweilen ein.“

Ja, er paßt zu ihren Haaren. Ich hebe die Plastiktasche mit den Büchern und Zeitschriften wieder auf. Helen hängt sich ihr Täschchen um. Sie geht ein paar Schritte vor. Sie hat noch immer schöne Beine. Die ausgeprägte Hüfte mit dem mondän wirkenden Kleid gibt ihr ein einfaches, aber begehrliches Aussehen. Der warme Stoff schmiegt sich wunderbar ihren Proportionen an.
Einen Augenblick vergesse ich die Gegenwart und denke ein paar Jahrzehnte zurück. Vor mir schreitet ein junges Mädchen mit zwanzig Jahren. Wir haben gerade die Welt erobert. Alle Erfahrungen liegen noch vor uns. Keiner von uns fragt nach dem Morgen. Wir sind übermütig, und wir glauben an die Liebe. Einer ist für den anderen da. Unser Vertrauen zueinander ist grenzenlos. Wir führen ein einfaches Leben und genießen die Liebe. Zum Teufel mit der Zukunft!
Sie dreht sich um und sieht meinen nachdenklichen, erinnerungsvollen Blick. Es sind ihre Augen, in denen ich lese, daß sie die Zeit gern aufhalten würde, wenn sie es könnte. Sie muß sich nicht dafür entschuldigen. Mein Kuß sagt es ihr.

Bad 12 MONREALE
Reihe Cimarron libris
Erstauflage 99 Exemplare
(Die ersten drei Ausgaben bleiben beim Team).
Text Gregori Latsch, Cimarron-Team
Gestaltung/Satz/Laserdruck Doris Hess, Cimarron-Team
Grafik (Cover) Ralf Biskup, Cimarron-Team
Textart Erzählung (s. Besonderheiten!)
Heftformat A5, von Hand gebunden
Heftumfang 64 Seiten, ca. 55 Seiten Text
Vorsatz/Druckpapier Premium-Fein-, Büttenpapier, Transparent-Papier, diverser Art, von Heft zu Heft verschieden.
Umschlag mit beidseitiger Grafik (Mischtechnik) Büttenkarton, elfenbeinfarben, mit Titel
Schutzumschlag
Banderole
Transparentpapier und Banderole
Besonderheiten a) Im Mittelteil des Heftes ist auf Transparentpapier ein Porträt von HERMES (Statue aus dem Meer bei Marathon) abgebildet, hinzu kommt der poetische Text Letzte Worte von Hermes, der dem Band Winterschlaf entstammt. Dieses Blatt enthält das handschriftliche grafische Kürzel des Autors und den Cimarron-Prägestempel mit Signum und Numerierung.

b) Allein die Themen- und Handlungsfülle der Geschichte MONREALE ist von so wunderbarem Reiz, daß sie noch lange unsere Gedanken beschäftigen kann. Der Aufmarsch seiner Protagonisten ist überwältigend... Elena - Hermes - Helen - Franz - Bruno - Lagarto - Eddi - Mecki...
 

Was noch zu sagen ist

Bei dem vorstehenden Text handelt es sich um das letzte Kapitel des  Romans Mal Pas von Gregori Latsch.

Es ist eine mit leichter Hand geschriebene Sommergeschichte, deren Szenenreichtum mit der vollenPracht des Sommers eine Symbiose einzugehen wünscht.

Das (glückliche) Ende dieser, aus vielfältigen Handlungssträngen bestehenden, packenden Story findet bereits vor dem letzten Kapitel statt. Insofern kann der vorangegangene Erzähltext Monreale bedenkenlos und ohne Spannungsverlust aufgenommen werden. Es wird eher noch von einem gewissen Reiz sein, im Nachhinein den ganzen Roman - Mal Pas - kennenzulernen, lassen sich doch dann all die bunten Namen seiner Mitspieler und manche überraschende Handlung für einen Moment im Kosmos unserer Phantasie in einem neuen Zusammenhang erklären.

MONREALE ist eine selbständige Geschichte, die zehn Monate später nach dem ursprünglichen Ende des Romans spielt - und auf dem Wege einer überraschenden Rekapitulation einiger Handlungsabläufe des Romans diesen in einem neuen Licht zeigt.
Das Buch MAL PAS kann bei Cimarron über die Reihe Cimarron bibliophil bestellt werden (Umfang ca. 400 Seiten).

Preis Je Heft 49,90 €
incl. Mwst. und freie Zusendung innerhalb Deutschlands.

 

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