Irene Bazinger weiß, was sie sagt:
"Auf dem Theater sind Menschen wichtig, nicht Projekte
des RegieTheaters. Entstand Theater nicht
aus dem Bedürfnis, in einen künstlerisch
gestalteten Spiegel schauen zu können, und damit
sich selbst zu finden, zu erkennen und zu verstehen?“

RegieTheater:
Das ist politische Korrektheit von der Art, wie
man poetische Metaphern und die Phantasie
aus den Stücken treibt. Was übrigbleibt? Ein
Unterhaltungswert ganz ohne Wert, der unsere
Emotionen aus dem Theater scheucht.
Und die Vernunft weiß nicht, was das bedeuten soll,
und flüchtet in die lebendigere Alltagswelt.

Mit der Dauer-Verwurstung von Romanen läßt sich nichts anfangen, davon geht nichts Anregendes, nichts Neues aus. Ich verstehe das Theater als einen Ort, der sich geistige Themen setzen muß. Das Theater ist, wenn schon keine moralische, so doch eine geistige Anstalt. Theater muß schon etwas mit dem Kopf zu tun haben. Es kann nicht alles reines Entertainment sein. Die Gesellschaft ist voller Themen, aber das Theater ist von den Autoren, die solche Themen gestalten könnten, völlig verlassen.“

Günther Rühle, Theaterkritiker, seine zweibändige beim S. Fischer Verlag erschienene Theatergeschichte gilt als fundamentale Chronik des deutschsprachigen Theatergeschehens.
Quelle des Zitats: Interview mit der FAZ, Feuilleton, Juni 2019

"Mag sein, daß der Text beim Theater heute in der Tat mitunter nur
noch eine Rolle unter vielen spielt...
Der Abend jedenfalls, der eindrucksvoll begann, wird in seinem
Verlauf zur langwierigen Figurenaufstellung. Ohne ein Innenleben zu
entwickeln, wandeln die Figuren wie tot über die Bühne.
Das Auge bleibt nicht an ihnen hängen, weder Kopf noch Herz
erinnern sich später an sie. Warum?..."
Sagt Simon Strauss, Kulturredakteur im Feuilleton der FAZ
am 25. Oktober 2019 in seiner Theaterkritik:
Die Prosa nimmt Rache am Theater.

Es ist wahr: Das Theater verzichtet immer mehr auf seine klassische
Rolle als Sprechbühne. Deshalb fordert das Cimarron-Team:
Ein Zurück zu den Menschen und ihren Dialogen.
Es ist unsere Sprache,
mit der wir unser Leben beginnen und beenden.

 
Stücke zu folgenden Titeln (Auswahl):
Ende der Schuld Drama
Carolin Drama
Bronsfeld ist der König Ein poetisches Verwirrspiel in drei Bildern, mit einem Sprachzauber in den Dialogen, der unvergleichbar ist. Beispiele hierzu sind in der Reihe libris, Band 20.
Nächtliche Begegnung Superthriller, mit Kammerspiel-Charakter und Film/Theater-Noir-Tendenzen.
falc Zukunftsstück von verblüffender Aktualität.
Krabat und Prinzessin Morgenglanz Historienkomödie
Micha und die Clowns Kinderkrimi mit überraschenden Einlagen.
Später Besuch Zweipersonenstück mit Thriller-Charakter.


Bis auf den letzten Titel sind alle Stücke abendfüllend.
Nächtliche Begegnung und Später Besuch
könnten als Doppelstück an einem Abend aufgeführt werden.

Zu den Stücken:
Nächtliche Begegnung
, falc, Bronsfeld ist der König und Später Besuch ist jeweils nur ein Bühnenbild erforderlich.

 

Kalliopas: Lange vor unserer Zeit gab es Männer in meiner Heimat, die noch mit den Göttern im Streit lagen, weil sie nicht einsehen wollten, daß der Mensch einem Gott untertänig sein sollte.
Lange vor unserer Zeit herrschten Könige in diesem Land, denen nachgesagt wird, daß sie göttlicher Geburt waren.
Und lange vor unserer Zeit haben Krieger gelebt, die sich zu stolz dünkten, Frauen zu rauben, Kinder zu töten, und die so viel Weisheit besaßen, daß sie Männern meines Alters mit Ehrerbietung entgegen traten.
Nun, Thessalides, euer weiser Ratgeber, hatte mich eines Besseren belehrt. Er sagte, daß ich zu Masken sprechen würde, unter denen Gesichter wären, die Tieren ähneln könnten (Thessalides ist erschrocken aufgesprungen, Unruhe unter den Kriegern wird laut.), vielleicht sogar Tiere seien, meinte Thessalides. Ich muß sagen, dann wäre es das erste Mal (Wütendes Stampfen mit den Speeren wird laut, die ersten Krieger beginnen, ihren Helm abzusetzen und stolz ihr Gesicht zu zeigen, dem nach und nach alle folgen.), daß ich zu Tieren sprechen würde. Aber wie ich sehe, hatte Thessalides Unrecht, denn vor mir sitzen Menschen. Hat Thessalides, der euer weiser Ratgeber ist, euch niemals vorher gesehen, daß er behaupten konnte, ihr würdet Tieren ähneln!?
Ich weiß nicht, warum ihr uns geraubt habt. Wenn ich Thessalides Glauben schenken darf, aber das fällt mir schwer, dann wollt ihr herausfinden, wer ein guter Redner ist und euch in den Bann schlagen kann.
Bedauerlicherweise will Thessalides darüber das Urteil fällen. Ihr wißt, die ihr die Sprachlosen genannt werdet, ohne aber sprachlos zu sein, daß ein Krieger zum Kämpfen die Arme braucht und kräftige Beine. Verliert er eines dieser Glieder, so wird er leicht zu überwinden sein.
Was muß der Redner verlieren, wenn er in eine aussichtslose Lage geraten will? Ja, richtig, ihr deutet auf den Mund, weil darin die Zunge ist, ohne die auch die schönste Rede in unseren Gedanken ohne Wirkung bleibt.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß so waffenstarke Männer wie ihr bereit seid, einem Redner die Zunge herauszuschneiden, es sei denn, ihr fürchtet die Macht seiner Rede.
Ich kann euch beruhigen, noch niemals haben meine Worte einen Menschen getötet, aber aufrütteln und begeistern, das können sie.
Wer aber wie ihr ohne Worte ist, neidet den Helden des Wortes das gute Wort. Seid ihr oder ist Thessalides so voll des Neides, daß ihr solche qualvolle Tat an uns verüben wollt!?
So wie ihr Helden des Kampfes mit der Waffe seid, die in euren Händen ruht, so rühme ich mich, ein Held des Wortes zu sein, der sein Gesicht nicht vor anderen Helden zu senken braucht.
Das ist meine Antwort auf Thessalides‘ Plan, mich zum Schweigen zu bringen!
Niemals werde ich mich einem Krieger unterwerfen, dessen Logik der tödliche Schlag ist, und dessen Liebe der Grausamkeit und der Gewalt gilt!
Ich bin auch nicht Eusemios, der anderen nach dem Mund redet, und auch nicht Bronsfeld, der einer anderen Zeit angehört!
Ich heiße Kalliopas. Und ich fordere euch auf, mich wieder dorthin gehen zu lassen, wo man einem Menschen wie mir mit Ehrerbietung und Respekt begegnet!
Gemurmel unter den Kriegern entsteht. Kalliopas nimmt die Gelegenheit beim Schopfe und verschwindet. Die Männer sehen zu Thessalides, der stumm Kalliopas nachzeigt. Einer der Krieger zieht sein Schwert aus der Scheide, legt den Speer auf den Boden und geht dem Flüchtenden nach. Sie verlassen die Bühne.

Einige Sekunden lang herrscht Stille. Der zurückkehrende Krieger behält das Schwert in der Hand, geht auf Eusemios zu und befreit ihn von den Fesseln. Eusemios schreitet hastig zu dem Steinpult. Mit unruhigen Augen und hilfloser Gebärde beginnt er zu reden.
Eine Zeitlang reibt er sich nervös die schmerzenden Handgelenke.

Eusemios: Zuhause in Antiachos lebe ich mit meiner Mutter in einem kleinen Haus. Thessalides kennt noch meinen Vater, der ein großer Redner in seiner Zeit war.
Mein Vater hat mich gelehrt, Achtung zu zeigen vor den Taten der Krieger. Thessalides kann sich gewiß noch daran erinnern, daß mein Vater vor der großen Schlacht am Styrax den Helden Mut zugesprochen hat, sie an ihre große Verantwortung für das Vaterland gemahnte und ihre ruhmreiche Vergangenheit beschwor. Ich weiß, daß auch ihr ruhmreiche Kriege gewonnen habt, die in die Geschichte der Völker eingehen werden.
Dagegen verblassen die Reden der Rhetoriker, zu denen ich mich bescheiden zählen darf. Kalliopas hat vor mir gegen euch gezürnt. Das habt ihr nicht verdient, edle Kämpfer! Es ist auch falsch zu behaupten, daß Krieger nicht mit dem Herzen dächten und nur an den Kampf denken würden! Wer in der Schlacht seinen Mann steht, kämpft nicht nur mit der Waffe, er hat auch mit sich selbst zu kämpfen, und dabei spricht er mit seinem Herzen, das ihn stark oder schwach machen kann.
Wer aber so wie ihr den Mut zu einer natürlichen Tugend zählt, fürchtet nicht das Waffenklirren der Gegner. Ich - ich weiß, daß ein Redner kein guter Kämpfer sein kann (Unruhe kommt auf, Ablehnung.), hört mich an, was ich damit sagen will! Ein Redner ist kein Krieger! Er hat Angst, ja, er hat Angst vor dem Tod! (Die Unruhe verstärkt sich. Die Männer sehen zu Thessalides, der mit der Hand ein Zeichen gibt, während er zu Bronsfeld geht, um ihm die Fesseln zu lösen.) Ich bin nicht euer Feind! Wollt ihr einen unschuldigen Redner töten!? Zuhause wartet jemand auf mich! (Sie packen ihn und führen ihn ab.) Denkt an meine Mutter! Lebt ihr ohne Mütter!? Seid ihr denn keine Menschen! Ich will nicht sterben!

Nach den letzten Worten haben die Männer ihn nach außerhalb des Platzes geführt. Sie sind aus dem Bild. Ein lauter Schrei kündet von Eusemios‘ Ende. Thessalides geht mit Bronsfeld zu dem Steinpult.

Thessalides: Ich stelle euch Bronsfeld vor. Wir sind Brüder, Brüder des gleichen Geistes. Wir haben ein Spiel ersonnen, das die Gegenwart mit der Zukunft und der Vergangenheit vereinen soll.
Dieses Spiel kommt aus der Phantasie. Als die Götter noch Menschen waren, erfanden sie die Phantasie, um den Menschen über die Gefühle des Tieres zu erheben. Später, nachdem die sterblichen Menschen die Erde betraten, gab ihnen die Phantasie alles Licht, das in die Dunkelheit ihrer Gedanken leuchtete.

Danach entstanden die Städte, wurden unsere Waffen erdacht und Kriege geführt. Immer aber blieb der Wunsch zurück, mehr zu sein, als nur ein Kämpfer, weiter zu denken, als der Tag uns dazu ermutigte, glücklicher zu leben als unsere Väter, aber auch verständiger als sie.

Nun, ich will nicht noch mehr Beispiele aufzählen, die uns zeigen könnten, wohin die Phantasie uns Menschen geführt hat.
Bronsfeld wird euch erzählen, was die Menschen, lange nach unserer Zeit, erreicht haben. Ihr werdet sehen, wie großartig die Taten der Menschen sind. (Der durchsichtige Stoffvorhang senkt sich langsam auf die Bühne.) Unvorstellbar für unsere Gedanken sind die Dinge, die sie, die Späteren geschaffen haben. Und doch sind sie Menschen geblieben, Krieger, Männer der Politik, Lehrer und Rhetoriker. Sie haben sich nicht geändert. Aber davon kann euch Bronsfeld mehr erzählen!

Bronsfeld: Das größte Problem in unserer Zeit sind die Menschen...

Der transparente Vorhand deckt alles zu. Es herrscht Stille. Thessalides geht zu seinem Steinsitz. Bronsfeld hält seine Rede. Kein Wort ist zu hören. Allmählich verlöscht das Licht. Vorhang.

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